„Ja, ja! Ich weiß, Sensenmann. Dein Name ist Tod. Der Tod.“ Der Mann am Tresen, der seinen Kopf auf beide Hände gestützt hatte und gelangweilt vor sich hinstarrte, verdrehte die Augen.
„Mensch! Luzi! Das ist ja schön Dich wiederzusehen!“, freute sich der Tod und schlug dem Kumpel freundschaftlich auf die Schulter.
„Nenn mich nicht so!“ entgegnete Luzifer düster.
Der Tod hob fragend eine Augenbraue. „Was meinst Du? Schön?“ Der Tod kicherte über seinen gelungenen Spruch. „Oder soll ich Dich in der Öffentlichkeit nicht Luzi nennen?“
Luzifer hob den Kopf und sah den Tod ernst an. „Mensch! Du sollst mich nicht Mensch nennen. So schlimm bin ich nicht.“
„Entschuldige bitte, Luzi, ich freu mich nur Dich zu sehen. Mit Dir habe ich nicht gerechnet.“
Luzifer ließ den Kopf wieder in seine Hände sinken. „Es ist Halloween. Du weißt genau, dass das der einzige Tag im Jahr ist, wo ich ohne Verkleidung raus kann.“ Luzifer seufzte tief.
„Ja sicher. Aber warum stehst Du nicht grölend auf dem Tisch und trägst einen Schlüpfer auf dem Kopf?“ Der Tod nahm sich einen Barhocker und setzte sich neben Luzifer an den Kneipentresen. Luzifer verdrehte erneut die Augen. „Das war nur ein Mal! Das war auf dieser privaten Feier von … Dings … Wie hieß der Typ noch?
„Ich bin mir nicht sicher. War das nicht bei diesem stinkreichen, aber strunzdummen Amerikaner, der unbedingt Präsident von Amerika werden wollte? Was war der Typ an dem Abend betrunken.“
„Der ist jetzt Präsident von Amerika.“
„NEIN! Wie lange war ich weg?“
Luzifer stutzte, „ja richtig. Du warst ja weg. Was zur Hölle machst du hier?“
Der Tod hob die Schultern. „Wenn ich das wüsste. Plötzlich stand ich da und hatte wieder eine Liste in der Hand und jetzt muss ich wieder ran.“
„Und ich dachte das Thema Tod ist durch. Am Ende. Over. Finito. Quasi gestorben!“ Jetzt lachte auch Luzifer und hielt sich den Bauch. „Gestorben!“
„Ich hab´s ja begriffen, Luzi. Das Thema Tod war gestorben. Riesen Brüller.“ Der Tod schaute sich pikiert um und wischte hier und da ein paar Konfetti vom Tresen. So wie es aussah, war die Halloweenparty schon vorbei. Kein Mensch weit und breit. Aus einem Hinterzimmer war das Geklapper von Flaschen und Geschirr zu hören.
„Das war heute die mieseste Party aller Zeiten.“ Der Teufel schüttelte enttäuscht den Kopf.
„WAS?! Die Party ist schon vorbei?“ Der Tod sah panisch auf die Uhr. „Das darf doch wohl nicht wahr sein. Mein erster Auftrag und ich komme zu spät?“ Der Tod stand auf und lief aufgeregt hin und her.
„Wie erkläre ich das Oben?“
„Darf ich es Horst erzählen?“ Luzifers Gesicht erhellte sich bei der Aussicht, diesen Fehler weiter zu tratschen. Und dann noch an Horst, des Tods Erzfeind und Widersacher, wenn es um den Job des Sensenmanns ging.
„Luzi, wenn du nicht möchtest, dass die Fotos der Heiligen Weihnachtsfeier von 1986, in der Arbeitsgruppe „Gott und die Welt“ landen, dann bleibt das hier unter uns.“ Der Tod sah Luzifer direkt in die Augen. Der Teufel blinzelte unsicher. „Du nimmst langsam meine Methoden an, Sensenmann. Das mag ich.“ Luzifer grinste süffisant. „OK, Sensenmann. Ich sag kein Sterbenswort.“ Lachend schlug er dem Tod auf den Arm. „Verstehst du? Sterbens. Wort.“
„Noch so ein riesen Brüller! Witzig! Wirklich Witzig, Beelzebub!“ Das letzte Wort sprach der Tod sehr hart und einige Spuckeflocken flogen Luzifer entgegen.
„Du bist aber auch empfindlich heute, Sensenmann.“
„Ja, Entschuldigung! Ich habe heute meinen ersten Tag und versau ihn komplett. Da kann ich doch wohl ein bisschen Verständnis erwarten. Was mach ich denn jetzt?“
„Zeig mal her, Deiner Liste!“, forderte Luzifer.
Der Tod hob eine Augenbraue und trat einen Schritt zurück. „Auf gar keinen Fall!“
„Warum denn nicht?“
„DSGVO!“
„Ja, die waren letztes Jahr Deutscher Fußballmeister. Glaub ich.“ Luzifer kratzte sich am Horn.
„Orrrr, Luzi! DSGVO ist die Datenschutz-Grundverordnung. Wenn ich Dir die Liste zeige, komme ich in den Knast.“
„Oh! Knast ist schlimm. Die haben nicht mal Schnaps! Apropos Schnaps“
„Vergiss es! Die Fete ist vorbei! Am Ende. Over. Finito. Quasi gestorben!“ Wiederholte der Tod Luzifers Worte. Luzifer lächelte geheimnisvoll und sagte: „Nicht für mich!“ Er zeigte mit dem Kopf in Richtung Hinterzimmer. „Für mich geht die Fete noch ein bisschen weiter.“ Während er sprach ließ er seine Augenbrauen ein paar Mal rauf und runter sausen. Sein Lächeln wurde breiter. „Sie ist hier die Inhaberin und ging heute als Kürbisse.“
„Du meins, sie ging als Kürbis.“
„Nein!“ Luzifer gestikulierte mit seinen Händen vor seiner Brust.
„Luzifer!“ Verlegen schaute der Tod zur Seite. Seine Wangen glühten.
„Ich hatte den Laden kaum betreten, da hatten die Kürbisse auch schon ein Auge auf mich geworfen.“
„LUZIFER! Es reicht!“ Der Tod war angewidert.
Luzifer lachte und sagte: “Ich mach doch nur Spaß. Tatsächlich hatte ich ihre Telefonnummer schneller, als ich gucken konnte. Da geht heute noch was. Deswegen sitze ich hier und warte bis sie fertig sind … IST!“ Luzifer hatte sich schnell verbessert, nachdem der Tod wieder protestieren wollte. „Jedenfalls“, erzählte der Teufel weiter, „ist die Heidi ´ne ganz Süße und sie macht jeden Moment Feierabend. Mach Du doch auch Feierabend, Sensenmann. Es gibt hier nichts mehr für Dich zu tun.“
Der Tod stutze. „Heidi?“ Jetzt kramte er in der Innentasche seines Jacketts und zog die Liste heraus.
„Nein!“ Mit Entsetzen versuchte Luzifer dem Tod die Liste zu entreißen. Dieser war aber darauf vorbereitet und drehte sich früh genug zur Seite. Luzifer ließ sich nicht abhalten und obwohl er selbst sehr stark war, hielt ihn der Tod mit einem Arm in schach.
„Das ist sie. Tatsächlich. Heidi Siegesmund. Mein erster Auftrag.“ Der Tod strahlte über das ganze Gesicht.
Luzifer ließ die Arme sinken und sah den Tod mit finsterem Blick an. „Sensenmann! Ich hasse dich abgrundtief!“
„Ich kann doch da nichts für! Mach doch schon Mal Feierabend, Beelzebub. Es gibt hier nichts mehr für Dich zu tun“, sagte der Tod und lächelte siegessicher. Er schlug dem Teufel zum Abschied auf die Schulter. Dann ging der Tod zum Hinterzimmer und trat ein.